Täglich grüßt das Murmeltier. Auf Hüttentour durch die Allgäuer Alpen.

We are now in the mountains and they are in us, kindling enthusiasm, making every nerve quiver, filling every pore and cell of us." — John Muir

Schon seit Ewigkeiten wollte ich eine mehrtägige Hüttenwanderung durch die Alpen machen. In meinem Kopf hatte ich diese Bilder von grünen Wiesen, tiefblauen Bergseen, glücklichen Kühen und leckerem Essen in urigen Berghütten – weit weg von der Zivilisation.

Und tatsächlich haben wir genau diese Postkartenidylle gefunden. Aber der Weg dorthin war nicht immer einfach. Was ich vorher nicht auf dem Schirm hatte, aber ziemlich schnell zur Wanderrealität wurde, waren schmerzende Beine und Füße, Wanderschuhe, die sich langsam in ihre Einzelteile auflösten, dichter Nebel und schlammige Wege. Doch gerade diese Herausforderungen machten uns am Ende noch ein bisschen stolzer auf unsere erste, erfolgreich gemeisterte Alpenwanderung.

Die planung unserer Route

Die Planung unserer Wanderung war gar nicht so einfach, weil die Route einige Kriterien erfüllen musste. Da es unser erstes Mal war, mehrere Tage im alpinen Gelände unterwegs zu sein, durfte die Strecke technisch nicht zu anspruchsvoll sein (T2 bis maximal T3). Außerdem sollte die Tour in vier Tagen machbar sein und sowohl Start- als auch Endpunkt mussten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Und natürlich wollten wir in gemütlichen Berghütten übernachten und auf Strecken wandern, die nicht zu überlaufen waren.

Nach einiger Recherche entschieden wir uns schließlich, in Oberstdorf zu starten und durch die Allgäuer Hochalpen bis nach Tannheim in Österreich zu wandern. Um bei der langen Anreise von Hamburg nach Süddeutschland möglichst viel Zeit zu sparen, buchten wir den Nachtzug der ÖBB von Hamburg nach München. In den kleinen Schlafkabinen, den sogenannten “Mini Cabins”, machten wir es uns gemütlich und fuhren am Abend los. Am frühen Morgen kamen wir gut ausgeruht am Münchner Hauptbahnhof an und stiegen dort in den Regionalzug, der uns bis nach Oberstdorf brachte.

Tag 1: Die Wanderung beginnt

Distanz: 11 km
Höhenmeter: Anstieg 618 hm, Abstieg 705 hm
Dauer: ca. 5h
Schwierigkeit: T2 und T3
Startpunkt: Station Höfatsblick (1.932 m)
in Oberstdorf
Endpunkt: Prinz Luitpold-Haus (1.846 m) in Oberstdorf

Vom Bahnhof in Oberstdorf war es nur ein kurzer Fußweg zur Nebelhornbahn, die uns in wenigen Minuten auf 1.932 Meter Höhe brachte. Auch wenn die Seilbahn 35 EUR für eine einfache Fahrt kostete, war es die absolut richtige Entscheidung. Denn den steilen und anstrengenden Aufstieg zu Fuß hätten wir rückblickend weder zeitlich noch körperlich geschafft.

Während wir in Oberstdorf noch in Regenhose und -jacke unterwegs waren, klarte es oben angekommen zu unserem großen Glück auf. Wir verstauten die Regensachen, holten die Wanderstöcke raus und machten uns um 11 Uhr vom Edmund-Probst-Haus auf den Weg Richtung Zeigersattel. Und schon nach wenigen Minuten hatten wir den ersten Wow-Moment: In der Ferne tauchte der Seealpsee auf, und obwohl der Himmel noch wolkenverhangen war, war der Anblick einfach beeindruckend!

Von hier aus ging es vorbei am Großen und kleinen Seekopf bis zum Schochensattel. Und die Landschaft wurde immer spektakulärer: schneebedeckte Bergketten, bunten Blumenwiesen und blaue Bergseen. Es fühlte sich an, als würden wir durch ein Postkartenmotiv laufen. Es war schon fast zu kitschig! Doch ganz so idyllisch war es dann doch nicht, denn der Weg war anspruchsvoller als gedacht. Ungewöhnlich für Juli lag teilweise noch Schnee auf den Hängen und wir mussten das ein oder andere Schneefeld durchqueren. Hinzu kamen viele seilgesicherter Passagen, die Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderten. Dafür wurden wir mit traumhaften Ausblicken belohnt.

Vom Schochensattel ging es weiter Richtung Laufbacher Eck, wo wir zu meiner großen Freude unser erstes “Wildlife” entdeckten: Ein Murmeltier kreuzte unseren Weg! Und es sollte nicht das letzte sein. Während wir auf unserer gesamten Wanderung nur selten auf andere Menschen trafen und meist allein unterwegs waren, wurden die Murmeltiere zu unseren ständigen Begleitern.

Der Weg hoch zum Laufbacher Eck war dann noch mal ein richtiger Kraftack, denn es ging einige Höhenmeter steil nach oben. Oben angekommen hatten wir jedoch einen unglaublichen 360 Grad Blick auf das umliegende Gebirge. Und etwa die Hälfte unserer Tagesetappe geschafft.

Nach einer kurzen Stärkung ging es steil hinab über Geröllhänge und Schneefelder bis auf etwa 1.600 Meter. Dieser Abschnitt der Wanderung war echt herausfordernd, denn einige Schneefelder waren unterhöhlt und mussten umgangen werden. Das bedeutete, dass wir uns über schlammige und steile Hänge kämpfen mussten – eine echte Rutschpartie! Ich war mehr als erleichtert, als wir das steile Stück endlich hinter uns hatten.

Mittlerweile war es später Nachmittag, und wir kamen langsamer voran als gedacht. Um noch etwas zu essen zu bekommen, mussten wir bis 18 Uhr in der Hütte ankommen. Wir versuchten, auf den geraden Strecken schneller zu laufen, doch der Tag steckte uns schon in den Knochen, und auch meine Füße begannen langsam zu schmerzen.

Das letzte Stück der Etappe führte dann noch einmal steil den Berg hinauf und war ein echter Kampf gegen die eigene Erschöpfung. Wir hatten viel zu wenig Pausen gemacht und nicht viel gegessen. Ziemlich erledigt und hungrig erreichten wir um kurz nach 18 Uhr das Prinz Luitpold-Haus. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte mal so auf eine heiße Dusche und ein kaltes Bier gefreut habe. Wir genossen das Abendessen und fielen um 20 Uhr müde, aber glücklich ins Bett. Was für ein toller erster Tag!

Tag 2: Der nebel

Was sich bereits am Vorabend abzeichnete, wurde heute zur Gewissheit: Erstens, ich hatte einen wirklich schmerzhaften Muskelkater in den Oberschenkeln, der nicht nur das Treppensteigen sondern fast jede Bewegung zur Qual machte. Und zweitens, ein dickes Nebelfeld, das bereits am Abend auf dem Weg zur Hütte aufgezogen war, hatte sich hartnäckig in den Bergen festgesetzt. Und wie es aussah, würde es dort den kompletten Tag bleiben.

Eigentlich hatten wir geplant, heute eine Tageswanderung zum Gipfel des Hochvogels zu machen. Doch der dichte Nebel, durch den wir nur wenige Meter weit sehen konnten, machte das viel zu gefährlich. Und wenn ich ehrlich bin, war ich gar nicht so traurig über die dicken Wolken. Körperlich war ich ziemlich erschöpft und froh, dass meine Muskeln einen Tag Pause bekamen. Also beschlossen wir, den Tag gemütlich in der Hütte zu verbringen, uns bei leckerem Essen zu stärken und neue Kraft für den nächsten Tag zu sammeln.

Denn die längste Etappe unserer Tour stand noch bevor – und zu meiner Beunruhigung auch eine kleine Herausforderung: Die Sohle meines rechten Schuhs hatte sich begonnen zu lösen. Wahrscheinlich wegen des Alters und der Belastung am ersten Wandertag. Ich war mir nicht sicher, ob die Schuhe noch bis ins Tal durchhalten würden. Aber es blieb eigentlich nur eine Option: es einfach zu versuchen.

Tag 3: Ein See wie aus dem Märchen

Distanz: 14,8 km
Höhenmeter: Anstieg 810 hm, Abstieg 874 hm
Dauer: ca. 7h
Schwierigkeit: T2 und T3
Startpunkt: Prinz Luitpold-Haus (1.846 m)

Endpunkt: Landsberger Hütte (1.810 m)

Sehr früh am nächsten Morgen brachen wir auf, denn eine lange Etappe lag vor uns. Bevor es losging, half mir der Hüttenwirt noch, meinen Schuh mit Panzerklebeband zu umwickeln – in der Hoffnung, dass die Sohle bis zur nächsten Hütte halten würde.

Zum Glück hatte sich der Nebel aufgelöst, und wir starteten unsere Wanderung unter strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Gleich zu Beginn stand der steilste Anstieg des Tages an. Während das Prinz-Luitpold-Haus in der Ferne immer kleiner wurde, kämpften wir uns Schritt für Schritt den Glasfelderkopf hinauf, insgesamt über 300 Höhenmeter. Oben angekommen, wurden wir mit einem grandiosen Ausblick auf die umliegende Berglandschaft belohnt. Aufgrund des gestrigen Nebels waren die Wege allerdings noch ziemlich schlammig und das Klebeband um meinen Schuh gab schon beim ersten Anstieg auf. Ab da musste ich darauf vertrauen, dass die Sohle ohne weitere Hilfsmittel durchhält.

Nach einer kurzen Stärkung ging es in den steilsten Abstieg des Tages. Über Geröllfelder und vorbei an Schneefeldern stiegen wir langsam und vorsichtig ab. Der Weg war extrem steil und rutschig, und wir kamen nur schleppend voran. Auch hier mussten wir wieder einige Seilpassagen überwinden – ich war mehr als erleichtert, als wir diesen Abschnitt geschafft hatten.

Der schwierigste Teil des Tages lag nun hinter uns, und es ging auf einem Höhenweg ohne große Steigungen weiter. Die Ausblicke? Immer noch atemberaubend. Es war mittlerweile Mittag, und wir hofften, den Schrecksee – eines der Highlights des Tages – bis 14 Uhr zu erreichen. Doch davor stand noch ein letzter steiler Anstieg an.

Und dann, endlich, tauchte der Schrecksee vor uns auf: ein tiefblauer, glasklarer Alpensee, der so ruhig dalag, dass es fast unwirklich schien. Spontan entschieden wir, von unserer ursprünglichen Route abzuweichen und zum See hinunterzuwandern. Dieser Umweg war jede Mühe wert. Am Ufer angekommen, gönnten wir uns eine wohlverdiente Pause und genossen den traumhaften Ausblick.

Wir liefen noch ein Stück am See entlang, bevor es wieder bergauf ging. Oben am Hang angekommen, überquerten wir zum zweiten Mal an diesem Tag die Grenze nach Österreich. Und obwohl ich dachte, es könnte kaum noch schöner werden, begann für mich hier der beste Teil der gesamten Wanderung. Der Höhenweg führte uns mit einigen Kletterpassagen entlang grüner Täler, und die Aussicht war einfach fantastisch. Wie es sich gehört, wartete am Ende noch ein letzter, mühsamer Anstieg auf uns, bevor wir endlich die Landsberger Hütte in der Ferne erblickten.

Im Vergleich zum ersten Tag waren wir heute deutlich länger unterwegs, und dementsprechend erschöpft kamen wir an. Aber wir hatten uns viel mehr Pausen gegönnt, was eine sehr gute Entscheidung war. Pünktlich zum Abendessen erreichten wir die Hütte und genossen ein wohlverdientes Radler auf der Terrasse – bei bestem Wetter und Blick auf die Berge. Und das Beste? Meine Schuhe hatten tatsächlich durchgehalten!

Tag 4: es geht hinab

Distanz: 4,8 km
Höhenmeter: Anstieg 8 hm, Abstieg 673 hm
Dauer: ca. 2h
Schwierigkeit: T1 und T2
Startpunkt: Landsberger Hütte (1.810 m)
Endpunkt: Tannheim in Österreich

Nach einer Nacht im riesigen Matratzenlager, in dem wir trotz allem erstaunlich gut geschlafen haben, ging es heute von der Landsberger Hütte hinunter ins Tal nach Tannheim. Körperlich waren wir noch fit, also stellte der recht kurze Abstieg glücklicherweise keine große Herausforderung dar. Bei herrlichem Sonnenschein führte uns der Weg stetig bergab, vorbei am wunderschönen Traualpsee.

Mein persönliches Highlight des Tages: Kurz vor dem Traualpsee entdeckten wir plötzlich ein paar Tiere auf dem Weg. Aus der Ferne dachte ich zuerst, es wären Ziegen – allerdings mit ziemlich langen Hälsen! Als wir näher kamen, stellte sich heraus, dass es eine Gruppe Lamas war, die frei durch die Gegend streifte. Wo sie herkamen? Keine Ahnung! Weit und breit war kein Hof zu sehen. Wir näherten uns erst etwas vorsichtig, merkten aber schnell, dass die Lamas ganz friedlich waren. So liefen wir eine Weile gemeinsam mit ihnen, als wären sie Teil unserer Wandergruppe.

Nach etwa zwei Stunden erreichten wir den Wald, und von dort war es nicht mehr weit bis ins Tal und zum wunderschönen Vilsalpsee. Dort gönnten wir uns noch ein erfrischendes Bad im See, bevor wir schließlich mit der kleinen Touristenbahn bis ins Dorf nach Tannheim fuhren.

Geschafft! Was für vier großartige Tage das waren. Eine Wanderung, die unsere Erwartungen in allen Bereichen übertroffen hat! Wir kommen wieder, ihr wunderschönen Allgäuer Alpen! ♥️

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